IN DER TOURISTENHÖLLE VON AMSTERDAM
IN DER TOURISTENHÖLLE VON AMSTERDAM, een recent artikel in de Süddeutsche Zeitung over de toeristenhel van Amsterdam met de vele toeristen, die alleen voor de sekswerkers op de Wallen en de drugs in de coffeeshops komen. Naast onze burgemeester, ook onze voorzitter, Dingeman Coumou aan het woord!
==========
IN DER TOURISTENHÖLLE VON AMSTERDAM (27 april 2023)
Eine der schönsten Städte der Welt versinkt in der Flut der Drogen- und Sauftouristen.
Was getan werden müsste, um den Spuk zu beenden, liegt auf der Hand. Warum geschieht es nicht?
Von Thomas Kirchner
Ein sonniger Frühlingstag, 16 Uhr, am Oudezijds Voorburgwal legt das „Smokeboat“ ab. Erst mal Zögern allerseits. „Leute, was ist los mit euch? Smoke’em if you got’em!“ ruft der Skipper, ein Holländer mit tiefen Gesichtsfalten. Sekunden später brennen die mitgebrachten Joints. Daran wird sich in der Stunde, in der das Boot nun durch die Grachten schippert, nichts mehr ändern. 15 Gäste sind an Bord, Österreicher, Schweizer, Briten, überwiegend männlich. Drei mehr als zugelassen, egal.
Vier Jungs aus Wien, Anfang 20, sind am Morgen erst angekommen. In den vier Tagen, die sie in Amsterdam verbringen werden, wollen sie die Coffeeshops auschecken und durch die Wallen schlendern, das Rotlichtviertel im Herzen der Stadt. „Es ist so ein schöner Ort mit so toller Atmosphäre“, sagt einer. „In Museen gehen wir auch.“ Der dritte oder vierte Joint kreist, aus dem Bordlautsprecher singt Louis Armstrong, „What a Wonderful World“. Tiefenentspannung hat eingesetzt, jene giggelnde Glückseligkeit, wie sie nur Kiffer kennen. „Stoned, everybody?“, fragt der Skipper am Ende der Tour. „Ok, mission accomplished.“
Was die gechillten Passagiere „mal gehört“ haben, aber lieber verdrängen: Bei sehr vielen Menschen in Amsterdam sind sie nicht mehr willkommen. Die Stadtregierung und die Bewohner der Innenstadt wollen diese Art Touristen, die vor allem an den Drogen und dem Rotlicht interessiert sind, sogar dringend weghaben. Mancher Gast mag das gar nicht verstehen, die friedliche Kifferei auf dem Boot oder das Schlendern durch die schmalen Gassen in den Wallen, wo die Prostituierten mit ihren Handys aus den Fenstern winken, sind doch so harmlos. Wo liegt das Problem?
Das Problem ist: Es sind zu viele hier. Um die 20 Millionen Übernachtungen werden heuer in der Stadt mit ihren gut 900 000 Einwohnern wieder erwartet, und fast alle Touristen zuckeln irgendwann durch die verwinkelte Innenstadt, Schulter an Schulter, schrittchenweise. Manche vertragen das immer potenter werdende Gras aus den Coffeeshops nicht, müssen sich, kreidebleich, plötzlich hinlegen, mitten auf dem Weg. Andere saufen parallel, wider besseres Wissen, etwa die britischen, aber auch deutschen Horden, die von junggesellenabschiedamsterdam.com („unbegrenzt Bier, Wein und non-alkoholfreie Getränke“) und Dutzenden ähnlichen Veranstaltern angelockt werden. Alle werben sie mit dem „Flair“ und der „Lässigkeit“ der Stadt.
Tatsächlich ins Bordell gehen nur wenige Touristen, die Prostituierten liefern eher die verruchte Kulisse. Das große Geld wird hier mit Sex-Shows gemacht, etwa im „Lust for Life“, der „Bananenbar“ oder der legendären „Casa Rosso“.
180 Plätze à 60 Euro. Dafür darf man einem Paar beim Koitus zuschauen. Oder einer Frau, die sich Bananen in die Vagina schiebt.
Im Laufe des Abends, und vor allem in der wärmeren Jahreszeit, steigen Lärm und andere Pegel: „Sie schreien, grölen, singen, nachts um eins“, sagt Els Iping, Anwohnerin und Aktivistin. Manche verlieren die Kontrolle: „Die Leute kacken auf die Treppen zu den Souterrains. Da kommt die Straßenreinigung nicht hin. Das müssen wir selbst wegmachen, auch die Kotze im Vorgarten.“ Als die Gruppe stopdegekte.nl (Schluss mit dem Irrsinn), die Iping mit Gleichgesinnten gegründet hat, solche Szenen auf ihrer Website zeigte, war das ganze Land angewidert. „Und am Morgen ist das Viertel voller Müll“, sagt Iping, „für dessen Beseitigung wir zahlen müssen.“
Die hellwache 70-Jährige war Kulturmanagerin und bei den Sozialdemokraten aktiv in der Stadtpolitik, jetzt hat sie Zeit, für ihr Quartier zu kämpfen. Ein nachbarschaftliches Zusammensein sei hier nicht mehr möglich, erzählt sie in einem Café in den Wallen, Familien mit Kindern hätten es besonders schwer. „Vor meinem Haus sitzen ständig Leute, immer stinkt es nach Gras. Meine Enkel sind oft bei mir, ich will das alles nicht.“
Die City von Amsterdam, dieses wesentlich im 17. Jahrhundert entstandene Weltkulturerbe, ist ein Rummelplatz geworden, eine Art Festivalgelände, auf dem sich Menschen aus aller Welt bedenkenlos meinen austoben zu dürfen. Lärm, Gedränge, Gestank, Schmutz sind aber nicht alles. Es gibt kaum noch normale Geschäfte in der Innenstadt, in denen Anwohner etwas bestellen oder reklamieren könnten, kaum noch Raum für Arztpraxen oder Handwerksbetriebe, dafür immer neue Touristenläden mit Schnickschnack, Kneipen, Restaurants. Viele der traditionellen Cafés, in denen man ältere Amsterdamer traf, die noch Geschichten erzählen konnten, sind jetzt Cappuccino-Bars. Neuestes Ärgernis sind die absurd langen Schlangen vor banalen Waffel- oder Bubbletea-Shops, ausgelöst von Tiktok- und Instagram-Posts. Amsterdam sei nicht mehr „leefbar“ (lebenswert), heißt es, und das mögen Niederländer gar nicht. Sie sitzen in der Falle ihrer Toleranz.
Unter den Folgen von Massentourismus und Eventisierung leiden viele Metropolen. In Amsterdam ist es nun aber nicht mehr zu ertragen, sagen die Anwohner. Nach der Finanzkrise 2008 hatte man hier kräftig geworben, um die Kassen wieder zu füllen. Elf Millionen Besucher kamen 2005, 2016 schon 18 Millionen, in Berlin ist es die Hälfte auf ungleich größerem Raum. Die Zahl der Hotelbetten stieg um 60 Prozent auf 30 000.
In jenem Jahr zog die Stadt die Bremse, nach energischen Protesten. Sie verbot den Bau neuer Hotels, schloss illegale Pensionen, stoppte das Marketing. Es war der Beginn einer lang und länger werdenden Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der Touristenmassen. Innenstadtwohnungen darf man jährlich nur noch 30 Tage über Airbnb vermieten, Bierfahrräder für Sauftouren sind seit 2017 verboten, ebenso Kreuzfahrtschiffe auf dem Ij, Touri-Busse in den Grachten und neue Läden, die sich, wie Nutella-Shops, nur an Touristen richten. Die Verwaltung engagierte „Crowdmanager“ für die Wallen, verbot Alkoholkonsum in Teilen der Innenstadt und Touristen-Führungen ohne Lizenz, hob die City-Steuer auf astronomische Höhe an.
Die Amsterdamer freuten sich, dass die Stadt ihr Leid sah und reagierte. Gebracht hat es wenig. Nur während der Pandemie wurde es schlagartig ruhig. Nachbarn hätten sich auf Plätzen getroffen, Kinder seien mit dem Rad durch die Gassen gefahren, erzählt Aktivistin Iping. Aber schon nach den ersten Öffnungen waren die Gaudi-Touristen zurück. Und der Zirkus war wieder da. Und der Unmut.
Im November 2022 schließlich stellte Wirtschaftsdezernent Sofyan Mbarki eine „Vision“ für das Jahr 2035 vor: Amsterdam sei ein Ort der Freiheit. Doch diese Freiheit sei „kommerzialisiert“ worden. Das touristische Image der Stadt werde beherrscht durch stereotype Bilder von Coffeeshops, Sextheatern, Fensterprostitution und einer „missverstandenen Vorstellung von Freiheit als Abwesenheit von Moral“. Einige Unternehmer missbrauchten dieses Image, um Amsterdam als „Ort der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu verkaufen. Das gehe so nicht weiter.
Neue Maßnahmen sind geplant und zum Teil umgesetzt: „Bleibt weg“-Videoclips sollen vor allem junge Briten abschrecken, „Junggesellen“-Angebote werden beschränkt, Kneipen und Bordelle müssen seit Kurzem schon um drei schließen statt um sechs, bald, womöglich schon im Sommer, soll man in Teilen der Innenstadt auch nicht mehr öffentlich Gras rauchen dürfen. Eine Kampagne soll Amsterdam ein neues Image geben, das zur „Vision“ passt.
Diederik Boomsma lächelt, wenn er das hört, beim Treffen im Café des Stadthauses am Waterlooplein, mit Blick auf eine Statue von Spinoza, dem Amsterdamer Vordenker der Toleranz. Boomsma ist der einzige Christdemokrat im 45-köpfigen Gemeinderat. Dort dominieren linke Parteien, regiert wird die Stadt von Sozialdemokraten, Grünen und Linksliberalen.
„Den unerwünschten Gästen nur ,Bleibt weg!‘ zuzurufen, das funktioniert nicht. Man muss auch das Angebot ändern“, sagt Boomsma. Logisch brauche Amsterdam ein anderes Image, das fordere er seit zehn Jahren. Seiner Ansicht nach gibt es nur einen einzigen Weg: „die Coffeeshops und den Rotlichtbezirk schließen“.
Das oft zu hörende Argument, der Rotlichtbezirk gehöre zur DNA, zur „Progressivität“ der Stadt, sei Unsinn. „In der jetzigen Form, mit Fensterprostitution, entstand er erst in den 1960er-Jahren.“ Boomsma mag den Ansatz skandinavischer Länder, die Prostitution negativ sehen, weil Frauen ausgebeutet werden. In den Niederlanden hingegen wurde „Sexarbeit“ vor 20 Jahren legalisiert und „normalisiert“, ebenfalls mit dem Ziel, Frauen zu helfen. „Man hat mich ,Christ‘ und ,Moralist‘ genannt“, sagt Boomsma, „aber die Dinge ändern sich, viele stimmen mir jetzt zu.“
Als Beispiel nennt er die Reaktion auf den Vorstoß der grünen Bürgermeisterin Femke Halsema, zur Entlastung der Wallen ein großes neues „Erotikzentrum“ im Süden zu errichten, in der boomenden Businessgegend zwischen Flughafen und Messe, wo jetzt auch die EU-Gesundheitsagentur EMA sitzt. Nicht nur die EMA protestierte, auch die Anwohner schleuderten Halsema bei einem Treffen jüngst ein lautes Nein entgegen. Im Norden wollen sie das Zentrum ebenfalls nicht, im Westen, wo es am wenigsten stören würde, sieht die Polizei Probleme mit der Sicherheit. Gut möglich, dass der Plan scheitert.
Und dann? Ideen gibt es. Boomsma und andere empfehlen, kleine Prostitutionshäuser quer durch die Stadt zu schaffen. Els Iping wäre froh, wenn wenigstens die Fensterprostitution aus den Wallen verschwindet. Aber die Frauen müssten doch ihre Kunden sehen können, kontert der Gemeinderat. Dann, so ein neuer Gegenvorschlag, müssten die Fenster eben so beklebt werden, dass man nur von innen nach außen schauen kann.
Noch vertrackter ist die Sache mit dem Cannabis. Und noch relevanter. Eine Befragung ergab, dass die Aussicht auf hemmungslosen Konsum mit Abstand die meisten jungen Briten nach Amsterdam zieht. Nach Schätzungen kommen zwischen fünf und sechs Millionen internationale Gäste allein deshalb. Bürgermeisterin Halsema will, dass es nur noch Stadtbewohnern erlaubt ist, Gras zu kaufen. Wobei das eine widersprüchliche Ansage ist, denn eigentlich favorisieren Halsemas Grüne und die Linksliberalen landesweit eine offizielle Legalisierung von Cannabis, wie sie Deutschland plant. Bisher wird es ja nur „geduldet“.
Doch der Gemeinderat hat Halsemas Forderung ohnehin gestoppt. Weil die Touristen dann auf Straßenhändler auswichen, hieß es. Dieses Argument ist ein Klassiker in Amsterdam. Gern benutzt auch von den Besitzern der 164 Coffeeshops der Stadt, die, wie die Szene-Ikone Henk de Vries mal sagte, längst „alle Millionäre sind“. Joachim Helms vom Bund der Cannabishändler verweist in jedem Interview auf die Gefahr der Straßendealer. Deshalb gelte: „Wir brauchen mehr Coffeeshops, nicht weniger.“
Dingeman Coumou von der Anwohnervereinigung D’Oude Stadt mag das nicht mehr hören. „Die Straßenhändler gibt es längst, zu Hunderten. Gegen die muss man eben vorgehen“, sagt der freundliche ältere Herr im Viertelzentrum in der Kerkstraat, einer Einkaufsgegend außerhalb der Wallen.
Durch ein Verkaufsverbot an Touristen schlüge man drei Fliegen mit einer Klappe, sagt er: „Man bekäme insgesamt weniger Touristen. Weniger von denen, die Ärger machen. Und man würde sehr viel Geld aus dem Drogengeschäft holen.“ Denn der Handel mit weichen und harten Drogen ist verbunden miteinander, weil die Coffeeshops vom organisierten Verbrechen beliefert werden. Geschehen werde aber nichts, befürchtet Coumou, weil die regierenden Parteien „ideologisch festgefahren“ seien. „Sie tun so, als würden sie große Maßnahmen ergreifen. Aber das stimmt nicht.“
Amsterdam bleibt wohl Amsterdam, fürs Erste.
Thomas Kirchner